Gazastreifen: Sechstagekrieg, Intifada, Hamas - Die Geschichte der palästinensischen Enklave (2024)

Nach dem großen Terroranschlag der Hamas und der militärischen Reaktion Israels schaut die Welt auf diesen Küstenstreifen: Gaza, eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Auf einer Fläche, die kaum größer ist als das Bundesland Bremen, leben mehr als zwei Millionen Menschen. Viele haben das abgeriegelte Gebiet nie verlassen, die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie an kaum einem anderen Ort der Welt. Seit 2007 herrscht hier die islamistische Palästinenserorganisation Hamas. Nun droht ein großer Krieg.

Wie wurde der Gazastreifen zu dem, was er heute ist?

Das Gebiet war schon immer ein wichtiger Knotenpunkt zwischen Afrika, Asien und Europa, seine Geschichte ist turbulent, tragisch und kompliziert – die wichtigsten Wendepunkte:

1917. Der Erste Weltkrieg tobt, auch im Nahen Osten. Bislang gehören der Gazastreifen und die umliegende Region zum Osmanischen Reich. Nun besetzt Großbritannien das Gebiet. Von 1920 bis 1948 wird die damalige Kolonialmacht das Territorium als Mandatsgebiet verwalten, das heute Israel und die Palästinensergebiete umfasst. Es sind schon damals unruhige Zeiten.

Neben den Arabern lebt hier ebenfalls eine jüdische Minderheit. Nach Hitlers Machtergreifung fliehen Hunderttausende weitere Juden nach Palästina. Es kommt mit der Zeit zu immer heftigeren Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen. Die Briten sind zunehmend überfordert.

Britische Nachrichtensendung

»Lagerhallen und Schiffsladungen von Orangen, Datteln und Feigen wurden zerstört. Es ist ein herber Rückschlag für die Stadt, die bereits unter Aufständen und Blutvergießen gelitten hat.«

Schlussendlich kündigt Großbritannien an, die Verwaltung abzugeben. Die Idee für das Gebiet: eine Aufteilung in zwei Staaten. 1947 stimmt die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesem Plan zu: Der heutige Gazastreifen ist darin Teil eines arabisch-palästinensischen Staates. Daneben gibt es einen jüdischen Staat. Jerusalem soll von der Uno verwaltet werden.

Doch die arabischen Staaten sowie die Palästinenser lehnen den Teilungsplan ab.

Britische Nachrichtensendung:
»Der Sprecher der Araber, Henry Cattan, lehnt die Balfour-Deklaration ab, während das Palästina-Probleme eine Diskussionsstufe erreicht.«

Am 14. Mai 1948, unmittelbar vor dem britischen Abzug, ruft David Ben-Gurion dennoch das unabhängige und souveräne Israel aus. Einen Tag später greifen Syrien, Transjordanien, Ägypten, der Irak und Saudi-Arabien den jungen jüdischen Staat an. Israel besiegt die arabische Allianz. Und die politische Landkarte verändert sich:

Von dem ursprünglichen Teilungsplan bleibt wenig übrig, Gaza wird zur kleinen Enklave und erhält seine heutigen Grenzen: definiert durch den Frontverlauf bei Kriegsende.

Das Gebiet ist sechs bis zwölf Kilometer breit und etwa 40 Kilometer lang. Neben Gaza-Stadt gibt es weitere Städte wie Deir al-Balah, Chan Junis oder Rafah. Dazwischen prägen hauptsächlich Sand, Dünen und die Mittelmeerküste die Landschaft.

Verwaltet wird der Gazastreifen nun von Ägypten, die Bewohnerinnen und Bewohner bleiben jedoch staatenlos, genau wie rund 200.000 palästinensische Geflüchtete, die aus dem Umland dort Zuflucht suchen.

Britische Nachrichtensendung:
»Ein paar bedauernswerte Geflüchtete retten ein wenig Hab und Gut.«

Israelischer Offizier:
»Es gab Mörserbeschuss verschiedener Kaliber, einschließlich schwerer Mörser sowie Artilleriefeuer.«

Der nächste große Einschnitt für den dicht besiedelten Streifen kommt knapp 20 Jahre später. 1967 lässt Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser an Israels Grenze 1000 Panzer und 100.000 Soldaten aufmarschieren. Am 5. Juni antwortet Israel mit einem Präventivschlag – und so beginnt der Sechstagekrieg. Dabei erobert die israelische Armee unter anderem den Gazastreifen.

Fast 40 Jahre israelische Besatzung folgen. Jüdische Siedlungsgebiete entstehen, unter anderem diese: Gush Katif. Schwer bewacht, mit hohem Lebensstandard und für die arabischen Bewohner Gazas kaum zugänglich.

Besatzung und Siedlungsbau im Westjordanland sowie im Gazastreifen lassen die Spannungen ansteigen. Wut, Frust und Perspektivlosigkeit der jungen Palästinenser entladen sich 1987 im »Krieg der Steine«: die erste Intifada beginnt. 200 Israelis und mehr als 1.100 Palästinenser sterben bei den Unruhen.

Der Aufstand endet erst Jahre später: 1993 unterzeichnen Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin und der Chef der PLO, Jassir Arafat im Weißen Haus das erste Osloer Friedensabkommen. Teile des Gazastreifens übergibt Israel an die neu gegründete Palästinensische Autonomiebehörde. Palästinenserführer Arafat lässt sich feiern, wie hier an einer Schule in Gaza-Stadt.

Jassir Arafat, PLO-Chef:
»Mit der Seele und dem Blut opfern wir uns für Palästina.«

Doch Oslo scheitert, Mitte der Neunziger wird Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet und die Hamas – die Israels Existenz immer ablehnte – verübt erste Selbstmordanschläge in Israel.

Um die Terroristen aus dem Land zu halten, wird der Gazastreifen nach und nach durch eine schwer bewachte Sperranlage eingezäunt.

2000 beginnt der zweite große Palästinenseraufstand, ein Jahr später wird die erste in Gaza gebaute Raketen auf Israel abgefeuert.

In Israel beginnt eine Debatte über einen Rückzug aus dem Gazastreifen. Die Entscheidung fällt im August 2005: Ministerpräsident Ariel Scharon ordnet den Abzug der etwa 6.500 Siedler und aller israelischen Soldaten an. Am Morgen des 12. September fährt der letzte Militärkonvoi über den Grenzübergang. Die Palästinenser feiern.

Kissufim wird geschlossen. Gaza ist nun nur noch über drei Zugänge erreichbar: Erez im Norden, Karem Abu Salem im Osten und Rafah in Richtung Ägypten.

Nach 2005 verschärft sich die Krise in Gaza zusehends. Ein brutaler Machtkampf zwischen den Palästinensergruppen Fatah und Hamas bricht aus. Die Hamas setzt sich durch und übernimmt die Herrschaft im Gazastreifen. Israel blockiert das Gebiet nahezu komplett.

Ruhig ist es seitdem um Gaza nie: Palästinensergruppen schießen immer wieder Raketen auf israelisches Gebiet, viermal führt Israel größere Vergeltungsschläge durch, Waffenruhen werden vermittelt.

Dann der Dammbruch am 7. Oktober, der lange vorbereitete Großangriff Tausender Hamas-Terroristen aus Gaza, das Scheitern von Israels Sicherheitspolitik an dem Küstenstreifen.

Nie wurden seit der Schoa mehr Juden an einem Tag ermordet, nie gab es solche Massaker wie auf dem Tribe-of-Nova-Festival und in den Kibbuzim. Am 8. Oktober erklärt Ministerpräsident Benjamin Netanyahu den Machthabern in Gaza offiziell den Krieg – einen Krieg, der die Lage im Gazastreifen von Grund auf ändern soll.

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Author: Aracelis Kilback

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