Lost places: Haardter Spaziergang: Die ehemaligen Wolf'schen Anlagen (2024)

Neustadt. Zwar sind die Wolf’schen Anlagen nach langem Dornröschenschlaf wieder in den Blickfeld des Interesses gerückt, zählen aber noch immer zu den „Lost places“, die eher von Insidern, insbesondere von heimat- und naturkundlich interessierten Haardtern aufgesucht werden.

Von Markus Pacher

Die Geschichte der oberhalb des Neustadter Ortsteils Haardt gelegene Parkanlage reicht bis in das Jahr 1822 zurück. Damals erwarb der Bankier Georg Friedrich Grohe-Henrich das Anwesen und in den Folgejahren den Lustgarten am Herrschaftsberg. Mit der 1837 erfolgten Heirat seiner Tochter Maria Luise mit dem Wachenheimer Gutsbesitzers Ludwig Heinrich Wolf erhielt die Waldfläche am Herrschaftsberg die Bezeichnung „Wolf'sche Anlagen“, nachdem die neuen Besitzer die fünf Hektar umfassende Fläche zu einem Landschaftspark nach englischen Vorbild umwandelten.
Was davon heute noch sichtbar ist, erfahren wir bei einem kleinen Spaziergang. Am einfachsten und schnellsten erreicht man die Wolf’sche Anlage über das kleine Sträßchen, das vom Mandelring aus zum Haardter Schloss führt. Kurz vor dem Schloss zweigt rechts ein kleiner Pfad ab, der uns direkt zum unteren Ende der ehemaligen Parkanlage führt.
Gut erkennbar ist immer noch die Grundstruktur der in einem Steilhang eingebetteten Parkanlage mit ihren unregelmäßig verlaufenden Wegen, den vielen Sandsteintreppen, etliche mächtige Stützmauern zur Überwindung größerer Höhenunterschiede und einige Podeste, die vor der Verwilderung den Blick frei gaben auf die Rheinebene und auf denen wohl so manche Blaskapelle zum sonntäglichen Frühschoppen aufspielte.
1882 wechselten die Besitzer und die Wolf’schen Anlagen gingen in das Eigentum von Albert Julius Anton Bürklin (1844-1924) vom Weingut Bürklin-Wolf über. Ab diesem Zeitpunkt blieb der Waldpark vermutlich sich selbst überlassen.

Lindenplatz mit illuminierten Wasserfall und Kegelplatz

Die größte, heute noch sichtbare Freifläche, der sogenannte Lindenplatz, befindet sich gleich am Beginn des eingangs erwähnten Zugangs. Zu den Attraktionen zählte ein Wasserfall, der illuminiert werden konnte. Beim Spaziergang durch die Parkanlage spitzelt ein paar Meter weiter oberhalb die alte Wasserleitung, die den Wasserfall speiste, aus dem Waldboden hervor. Obgleich künstlich aus groben Felsbrocken errichtet, wirkt die Fassung des in ein Becken mündenden Wasserfalls ungemein naturnah. Ein Kuriosum ist auch eine mit neun quadratischen kleinen Metallplatten versehene Bodenplatte, die damals zum Kegeln genutzt wurde. Folgt man dem Weg weiter nach oben, entdeckt man unter anderem einen Eiskeller, eine Grotte mit Sitznische und einem im Weg verbauten Wasserbehälter.
Um 1900 wurde das „Schweizerhaus“ errichtet. Früheren Datums ist die 1840 entstandene „Eremitage“, eine künstliche Einsiedelei.

Schweizerhaus (zitiert nach Hans Peter Michel und Monika Vogel, 2019)

Im einstigen Waldpark der Wolf´schen Anlagen in Neustadt an der Weinstraße wurde um 1900 ein „Schweizerhaus“ errichtet, das zuvor als Ausstellungs-Pavillon genutzt worden war. Bei dem „Schweizerhaus“ handelte sich um einen zweigeschossigen Holzbau in Blockbohlen-Leichtbauweise, das frontseitig eine Veranda und einen Balkon besaß. Das Dach bestand aus Brettern und Dachpappe. Dieses „Schweizerhaus“ ließ Dr. Albert Bürklin, dem damals der unterhalb des Landschaftsparks gelegene Sommersitz gehörte, an den Haardtrand transferieren. Dort bauten es Schweizer Handwerker auf einem niedrigen Unterlüftungskeller aus Sandsteinquadern wieder auf. Standort des Hauses wurde eine bereits um 1840 angelegte, fünf Meter hohe Aussichtsterrasse, die bereits der vorige Eigentümer, der Weingutsbesitzer Johann Ludwig Wolf aus Wachenheim, bauen ließ.Das „Schweizerhaus“ war zunächst ein Sommerhaus. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es angeblich zur Militärunterkunft und zur Flakstellung genutzt. 1947-1952 war das Gebäude dann eine Notunterkunft. In diesen Jahren wurden dort Bernhardiner gezüchtet und 1951 das „Café Schweizerhaus“ betrieben. Ab 1952 stand das Gebäude leer. Am 15. Februar 1962 fiel es vermutlich aus Fahrlässigkeit einem Brand zum Opfer, es wurde bis auf die Mauern des Unterlüftungskellers zerstört.
Im Jahre 2015 kaufte die Stadt Neustadt an der Weinstraße das Gelände des einstigen Landschaftsparks und damit auch die Fundamente des „Schweizerhauses“ auf. 2016 wurde der entstandene Gehölzaufwuchs beseitigt und die Terrasse gesäubert. Fotos und Lagepläne zeugen von dem Aussehen und den Räumlichkeiten des einstigen „Schweizerhauses“. Der frühere Standort ist zugänglich und verdeutlicht mit der Aussicht von dort über die Rheinebene bis hin zum Kraichgau und Schwarzwald noch heute seine besondere Lagegunst.

Eremitage (zitiert nach Hans Peter Michel und Monika Vogel, 2019)

Im einstigen Waldpark Wolf'sche Anlagen in Neustadt an der Weinstraße wurde um 1840 eine künstliche Einsiedelei errichtet. Sie entstand auf Wunsch des damaligen Parkeigentümers, des Wachenheimer Weingutbesitzers Johann Ludwig Wolf. Erbaut wurde die Eremitage der Wolf´schen Anlagen in der Nähe des Schweizerhauses. Es war ein annähernd quadratisches Gebäude (5,20 m x 5 m) und bestand aus Trockenmauerwerk. Die grob zugehauenen Sandsteinquader wurden mit einem Hammer bearbeitet. Das Dach wurde als Satteldach aus Birkenholz-Sparren errichtet. Auf diesem befand sich ein offener, hölzerner Dachreiter mit einem spitzen Helm und Glocke. Ein Foto von 1951 belegt die Bauweise der Eremitage, von der heute nur noch die Fundamente erkennbar sind. Um das Gebäude wurde einst ein Weg angelegt und unterhalb ein Springbrunnen errichtet.Der Anlass für die Errichtung der Eremitage ist nicht bekannt. Überlieferungen schildern die Innenausstattung, zu der wohl ein Bett, eine Betbank, ein Tisch und ein Stuhl gehörte. Auf diesem soll eine Strohpuppe in Mönchsgestalt gesessen haben, die sich vor dem Besucher verbeugte, sobald dieser auf ein Bodenbrett trat und einen entsprechenden Zug- und Hebelmechanismus in Gang setzte. Außerdem soll es ein Seil zum Läuten der Glocke gegeben haben. Von 1947-1952 wurde das Gebäude als Hühnerstall genutzt. Danach verfiel das Gebäude oder wurde zerstört.

Literatur

Hünerfauth, Klaus (2016): Die ehemaligen Bürklin-Wolf'schen Anlagen am "Herrschaftsberg" in Haardt. In: Zeitschrift für Kultur und Heimatpflege, Heft 30, S. 71.

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